Wednesday, October 21, 2009

Der heilige Ort des Lesens.




Auf dem WC liest man sehr gerne, ich hoffe da es geht Ihnen auch so. Das hat viele Gründe. Zum einen ist man so herrlich unabgelenkt. Hat damit zu tun, dass man nur blöd gegen die Klotüre schaut. Handy hat man auch keines dabei und wenn das Wasser ein bisserl plätschert, weil der Installateur noch nicht gekommen ist, beruhigt das unheimlich. Das Scheißhaus als Oase des Glücks. Es gibt also keinen besseren Ort um zu entspannen, außer man hat Verstopfung oder das Gegenteil davon.

Dementsprechend eignet sich das WC wunderbar als Leseort. Auf dem WC liest man, was man gerade in die Finger kriegt. Im Grunde ist das ziemlich toll. So hatte ich erstmalig das türkise Magazin eines Parfümerie-Diskonters in der Hand. Das erste was mir auffiel sind die Modells. Viele von denen schauen komisch, so als ob sie grad von einer geheimnisvollen Krankheit heimgesucht werden. Vielleicht müssen sie auch nur dringend auf die Toilette, kann ja sein.

Auf den nächsten Seiten wird eine Reise nach Mexiko angeboten. Der Reisebüro-Mensch meint, dass sich Mexiko in den letzten 20 Jahren echt verändert hat. Super, denk ich mir. Sogar die Steiermark hat sich in den letzten 20 Jahren verändert, wird wohl in Mexiko auch so sein. Von der Schweinegrippe steht nix drin, auch nicht von den tausenden, mexikanischen Wirtschaftsflüchtlingen, aber macht nix, wir blättern weiter.

Wieder ein paar Bilder von Modells, wo keiner weiß warum die so komisch dreinschauen, vielleicht sagt ja auch der Fotograf zu denen, „schau mal so drein, als ob du dich ankackst!“, möglich ist bekanntlich alles. Endlich sind wir bei einem Designer, ich kenne ihn aber nicht. Kenneth Cole aus New York, vom Foto her ein netter Kerl. Ich erfahre, dass er ziemlich viel auf Charity macht, super denk ich mir, in Amerika muss ja jeder Steinreiche auf Charity machen, sonst gehört er gleich zu den bösen Reichen. Und dann hat er einen neuen Duft kreiert. Soll sehr traditionell riechen, weil die Tradition und die damit verbundenen „wahren Werte“ uns in der Krise doch Orientierung geben sollen, meint man da so. Aber irgendwie soll auch alles wärmer und sinnlicher riechen, meint der Herr Designer. Ja, genau, das hätte ich an seiner Stelle auch geantwortet. Tradition und Sinnlichkeit, genau das was wir brauchen. Ha! Das uns diese Formel nicht schon in den letzten Monaten eingefallen ist! Ist ja nicht zu glauben … Es gibt Menschen die nehmen solche Hefterln ernst, denke ich mir, und die tun mir jetzt verdammt leid.

Das nächste im Regal ist ein Micky Mause Heftl unserer Tochter aus dem Jahre Schnee. Satte 28 Schilling habe ich damals für den Dreck bezahlt und irgendwie hat er es geschafft, bis heute zu überleben. Phantastisch! Da sind lässige Zaubertricks drin. Karten die verschwinden, Becher die in der Luft schweben. Nebenbei erklärt der Zauberer was hinter dem Zauber steckt: Die richtigen Klamotten muss man anhaben. Die Tricks muss man oft üben, sonst ist man zu langsam. So nebenbei muss man das Publikum ablenken, eine gute Laune soll man haben und selber staunen was man da so daherzaubert. Aber nichts desto trotz: Zaubern sollte doch gelernt sein, steht im letzten Absatz geschrieben. Kommt mir ein bisserl wie die Politik vor: Schönwetterstimmung ist ja toll und ein bisserl Tam-Tam muss man auch machen, aber herauskommen sollte auch was.

Übrigens, was den Profi- und Amateur-Leser auf der Toilette unterscheidet ist, dass der Profi aufs Runterlassen nicht vergisst und die Lüftung einschaltet.


Wa.

3 comments:

tobi said...

Klingt jetzt vielleicht etwas seltsam, aber ich hab aufm Klo immer ein Buch liegen. So eine Kolumnensammlung, oder derzeit den Tom Waits Reader (Sammlung an Interviews und Reportagen mit Tom Waits aus 25 Jahren).
Ich geb' dir komplett recht: Nirgends lässt es sich so entspannt lesen. Vorrausgesetzt das Bad/Klo ist beheizt.

Martin G. Wanko said...

Coole Bücher, Mann!

P.s.: Geheiztes Bad immer fein, nur geheiztes Klo mit gleichzeitigem Scheißen, uff! Für die nachkommenden kann das zur Belastungsprobe werden ...

schnupperkoch said...

Eure Sorgen möcht ich haben, spült doch mal zwischendurch!

Ich nehme übrigens meist das Buch, das ich in der Mache habe, mit. Da weiß ich wenigstens, wer das in der Hand hatte!