Thursday, January 29, 2009

Der Ruhm der anderen.



Nicht uninteressant, dass Daniel Kehlmann in Deutschland als Deutscher und in Österreich als Österreicher gehandelt ist. Er ist gebürtiger Münchner, aufgewachsen in Wien und pendelt zurzeit zwischen Wien und Berlin.
Bei ÖFB Peppi Hickersberger verhält sich das Ding andersrum. Geboren im Niederösterreichischen Amstätten, ist bei der Euro 08 schon das zweite Mal als Teamchef gescheitert und fristet sein Dasein nun einmal mehr als „Wüstenpeppi“, nicht nur im dementsprechenden Theaterstück Die Wüste lebt sondern auch in echt! Wenn Peppi jetzt noch die Staatsbürgerschaft wechselt, ja das würde nicht zwingend viele Österreicher stören. Aber wer weiß, Totgesagte leben länger und irgendwann kommt auch der Peppi wieder.

Vielleicht noch einige Worte zu Kehlmanns „Ruhm“, der ja schon in der ersten Woche die „Der Spiegel“ – Bestseller-Liste anführt:
Ist Daniel Kehlmanns Roman „Ruhm“ das Ding schlechthin, oder nicht? Ja und nein. Nein, weil die neun Geschichten zu lose zusammenhängen, um als Roman durchzugehen. Ja, weil die Kurzgeschichten mehrheitlich so schön wie melodiöse Popsongs sind, die man beim Autofahren im Frühling gerne hört. Kehlmann hat diesen absolut breitenwirksamen Ton gefunden, der ein gutes Buch zu einem Bestseller macht. Bei Kehlmann brennt nichts an. Ob seine Literatur für Nachhaltigkeit sorgt, muss jeder Leser für sich entscheiden. Die Oberfläche ist auf alle Fälle veredelt.

17 comments:

Anonymous said...

Lieber Wa., also, was den Kehlmann betrifft, bin ich schon anderer Meinung als Du. Klar, das sind Geschichten mit polierter Oberfläche - spiegelglatt eben. Und, was hat der gute Mann in der FAZ vom 26. Dezember gesagt: Es sei „formal das Avancierteste“, was er je gemacht habe. Donnerwetter. Ich finde die vielen kunterbunten Untereinander-Abhängigkeiten der Geschichtchen, den sozusagen farblich wechselnden Faden, nicht künstlerisch brilliant, sondern künstlich und ein wenig eitel.
Sicher, die Geschichte vom Blogger, dessen seltsamer Sprache (das kann er nun wirklich meisterhaft!) und zivilisatorischer Verwahrlosung ist lustig - und zugleich nicht so ganz glaubwürdig. Das gilt auch für „Osten“ - dieser Humbug hatte sicherlich noch vor 10 Jahren seinen Charme - aber heute? Sticht da vielleicht die Kehlmannsche Trumpfkarte, es sei ja surreal gemeint? Nein, wie auch, wenn der Titel schon pure Ironie sein soll.
In einigen Punkten stimme ich aber dem Schriftsteller zu: „Rosalie geht sterben“ ist großartig. Wenn auch im Hintergrund leicht argwöhnisch mitschwingt, es sei das ja nun eine vom Pierre Bayard (Freispruch für den Hund der Baskervilles) schon etwas früher vorgebrachte Idee, dass des Autors Figuren Eigeninitiative entwickeln und in einen lebhaften Diskurs mit ihm eintreten, gar hinter seinem Rücken Aktivitäten entfalten können. Dennoch, wie er die Stimmung entwickelt, ist schon gut.
Aber, was mich echt störte (und ich wünsche mir, ich täusche mich!) ist die Tannersche Verdopplungsgeschichte. Da hat man halt im Hinterkopf den (zu Unrecht erfolglosen) „Alias“ vom Günter Eichberger. Auch hier nimmt der Protagonist an einem Imitatorenwettbewerb seiner selbst statt - und verliert gleichfalls! Wobei der Eichberger das einfach viel souveräner formuliert: „Die schauten mir auch ähnlicher.“
Also, mir ist der „Ruhm“ zu glatt, gefällig und belanglos. Ein gutes Buch, aber, wie wir Nordlichter sagen, „nix Dolles“.

Martin G. Wanko said...

Hi Meister!

Seelenlos. Blanke Oberfläche. Welcher Hit hat Seele? Die Donner, Suter, Mankell? Ich bin im Grunde ein Hit-Verweiger. Natürlich sind viele Bücher die man liest oder bespricht potentielle Hits, sonst würden sie von den Publikumsverlagen gar nicht gemacht werden. Aber da gebe ich dir recht: Je mehr Hit, desto weniger Seele. Zu viel Seele sorgt nämlich für Widerstand im Inneren der Leser. Und das mag er nicht. Das kommt ihm zu dicht.

Wa.

P.s. Die Doppelgänger-Geschichte fand ich besser, als die Geschichte mit Rosalie. Die Doppelgänger-Geschichte erinnerte mich an die frühen Paul Auster New York Romane und auch an den David Lynch Film „Lost Highway“.

Anonymous said...

Ich verstehe, was Du meinst. Aber wollte dieses Buch nicht "literarisch wertvoller" als die vión Dir angeführten Hits sein? Und da reicht dan formale Kunstfertigkeit nicht aus, oder? Mein problem ist, dass ich von einem Roman in fünf Geschichten erwarte, dass (entschuldige bitte die Binse!) das Ganze mehr ist als die Summe der Teile. Und für mich ist dieses Ziel wohl nicht gänzlich verfehlt, aber, na ja...

Haubentaucher said...

1) gestern hörte ich, die bekannte einer bekannten hätte für einen esoterik-roman, der wohl bei goldmann erscheint, 30.000 euro fixum bekommen.

da stellt man sich als AA (armer Autor) ja dann eher die Frage: wieso schreibe ich nicht einfach einen Sch...Hit...

2) ich z.b. lese überhaupt keine prognostizierten massenerfolge. damals kein "schlafeskind", heute keinen "ruhm".

da ist mir die zeit zu schade. gibt ja viele bücher, die kaum jemand liest, das finde ich bei weitem spannender. würde mir ja auch heute keine franz-ferdinand-cd kaufen wollen.

lang lebe die vielfalt, nieder mit der einfalt

H.

Martin G. Wanko said...

hallo Haubentaucher, hallo ThfKoch,

zwei Antworten auf einmal: Daniel hat abstürzen müssen, hätte den Roman wohl eher "Druck" genannt, das war das, was er die letzen Jahre mit sich herumgetragen hat. Der nächste Roman könnte bereits spannender sein.

Goldmann&Eso, Heyne&Krimi, Lübbe&Kuttengrusel - nicht nur einmal überlegt, so einen Scheiß hinzulegen und dafür 1 Jahr machen, was man halt machen will. Abseitiges oder sonst was. Vielleicht auch mal gar nix - obgleich ich das eh schwer aushalten würde ...
Der, der den ganzen Dreck schreibt, der steht ja auch auf den Dreck. Ich glaub, da sind die Leser sensibel genug, um das abchecken zu können.
Und abgesehen davon: Wenns nix wird, hat man ein halbes Jahr Zeit verschissen und sich außerdem an die Laterne gelehnt und ist bloß stehen gelassen worden.

Also, Ja zur Vielfalt und Ja zu Werken die mehr als die Summe ihrer Seiten ergeben,

be grü

wa.

Anonymous said...

Lieber Wa., lieber Haubentaucher, ich weiß nicht genau, wovon Ihr lebt; vermutlich auch eher von einer "Brotarbeit" als von den Honoraren Eurer Bücher. Das ist sicherlich beim Kehlmann jetzt anders, und ich stimme dem Wa. hinsichtlich des "Druck" zu - so gesehen, sollte ich milder sein. Was die Leserei betrifft, da stecke ich ja nun mit meiner Doppeltätigkeit (Buchhändler und Rezitator) in einer leicht schizophrenen Situation. Natürlich muss ich "Gängiges", manchmal auch Seichteres lesen und in meine Programme einbauen. Aber privat freut man sich doch über die ungehobenen Schätze - gerade erfeue ich mich köstlich über den alten Pessoa. "Ein anarchistischer Bankier" - passt beinahe in die Zeit. *grins*
Und nochmal zu den Honoraren: Ich habe vor vielen Jahren meine Selbständigkeit begründet, indem ich (damals Manager bei Roche in Basel) ein Buch über Vitamine schrieb. Purer Tinnef, aber viel Geld. Seitdem ist die Situation völlig verrückt geworden - und generell büßßt das Buch seinen Charakter als Kulturgut ein, wird zu simplen kurzlebigen Massenware. Ich bin gespannt, wann das erste Mal Franz beckenbauer oder Claudia Schiffer in einer Anzeige auf die besonderen Vorzüge der Romane von X oder der leichten Verdauhlichkeit ohne Blähgefühl der Geschichten von Y hinweisen.

Haubentaucher said...

die Herren!

nach Berechnungen des Falter-Journalisten Nüchtern hat Kehlmann mit seinem letzten Roman ca. 3,2 Mio. EUR verdient. das sollte also ökonomischer Druck keine große Rolle mehr spielen. da geht es eher schon um die Drittvilla in Südfrankreich.

die Bücher werden simpler, die Vermarktung auch. Es gibt immer mehr Bücher (Wa. und ich haben das zuletzt in Frankfurt bestaunt), aber immer mehr Menschen lesen dasselbe. Ich bin eigentlich froh, einen Brotberuf zu haben, der mich erdet, obwohl ich gegen die Gage von Kehlmann und Co. auch nix hätte. Das schlimmste für mich sind "Werke" von Paris Hilton etc, die wirklich nur Müll sind, sich aber auch nicht so schlecht verkaufen lassen - offenbar. schönen gruß aus dem tiefschnee

haubentaucher

Martin G. Wanko said...

Liebe Freunde des schlechten Geschmacks! (=Lob!):

Natürlich stellt sich die Frage, wann die C. Schiffer den ersten Text auf dem Back-Cover eines Romans kriegt. Vielleicht "das Parfum" 1. Auflage in China. Stell ich mir übrigens suuuper vor: „Und wie das Buch schon nach dem Aufmachen duftet! Ich kaufe meine Bücher nur mehr bei – ach so, hier geht es um einen Verlag und nicht um den Laden: Ich kaufe meine Bücher nur noch von – wie hieß der Verlag nochmals? Oder duften nur die Bücher von dem Autor so und wie spricht man den aus?“ Dasselbe lässt sich sicher über Beckenbauer oder Becker auch sagen.
In Punkto Seichtheit hatte das österreichische Volxmusikduo Attwenger einmal einen schönen Satz drauf: „Und dann wird’s ein bisserl seichter und dann verkauft es sich’s schon leichter!“

Bücher sollen sich verkaufen und das ist gut so. Gerade die Belletristik fährt im Windschatten der Sachbücher nicht so schlecht. Meister Koch, ein Buch über die Spurenelemente, bitte! Und Meister Haubentaucher, immerhin warst du ja auch gut-vierstellig mit deinem Derby-Buch. Alles ein Grund zur Freude.
Aber wenn wir gerade bei den Sorgen sind, hat ja vielleicht mit dem Krisenjahr zu tun, glaub ich eines: Es lesen immer weniger Menschen mehr Bücher. Und dazu gehört jetzt nicht zwingend das junge Publikum dazu. Und viele Bücher die so zu Weihnachten über den Ladentisch gehen, bleiben überhaupt ungelesen – was natürlich in Sachen Nachhaltigkeit fatal ist.

Be Grü

Wa.

Anonymous said...

Guten Morgen, die Herren, wie sagt der Sheriff in "Kein Land für alte Männer" so schöN: "Dakann man nichts machen. Das ist das einzige, was man machen kann." Die neue Beliebigkeit wird über uns hinwegspülen und wir können nur hoffen, dass WIR lange genug die Luft anhalten können, um das auszuhalten. Mich regt am meisten dabei auf, dass Soziologen und Pädagogen und wer weiß noch wer alles bestochen ist, mir permanent erklären wollen, dass alles sei kultureller Wandel. So ein Megaquatsch. Schaut Euch doch die neuen Vielschreiber und -leser = SMS-Versender an - das soll Kultur sein? Das ist Dummheit. Aber früher waren die Dummen zurückhaltend und leise, heute sind es die laut-aggressiven Frontleute. Entsetzlich. Kein Wunder, dass man trinken muss.
Servus!
T.

Haubentaucher said...

wenn ich so in meinem umfeld um mich blicke, bekomme ich den eindruck, dass immer weniger über bücher gesprochen wird, weil immer weniger gelesen wird - gleichzeitig wollen aber immer mehr menschen unter die autoren gehen. irgendwann wird es gleich viele schreiber wie leser geben.

erst letztens wieder der klassiker. sie: "ach, sie schreiben? mein sohn bringt auch gerade seinen ersten roman heraus!" ich: "in welchem verlag?" sie: "weiß nicht."

Martin G. Wanko said...

Schönen Abend, gute Nacht!

Dann gehen wir einmal in den Buchhandel. Dort werden die Bücher ja zum Teil noch gekauft. Mein Freund, Autor, Wilhelm Hengstler hat mir einmal gesagt, in den großen Buchhandlungen kommt es ihm so vor, als legen die Buchhändler ein und dasselbe Buch drei Mal auf. Du gehst also im Kreis und alles gleicht sich.
Ein Buchhändler, den ich übrigens sehr schätze, hat mir wiederum gesagt, der durchschnittliche Kunde schneit 2,5 Minuten in den Laden rein und fragt: „Wo ist denn das Buch, das …“. Der will nicht mehr schmöken, der nimmt einfach die Schwarte und macht die Fliege.
Wie soll es da noch Vielfalt geben? Abgesehen davon, dass der Mensch dazu tendiert, ein Leben lang ein und dasselbe Buch zu lesen. Ich muss mich selber auch immer wieder an der Nase nehmen, um so eine lästige Gewohnheit zu durchbrechen. Grrr!

Be. Grü. Wa.

Anonymous said...

Moin Moin,
es gibt auch schöne Gegenbeispiele: In der Buchhandlung in Bad Mergentheim kann man sich jeden Donnerstag von 19 - 22.00 Uhr zum ungestörten Stöbern und Schmökern einschließen lassen. Es wird angenommen.
In meiner Lieblingsbuchhandlung in Fellbach führen wir regelmäßig "Das Menü in der Buchhandlung" durch - da kommen sogar Männer, lauschen der Literatur und kaufen auch das eine oder andere Buch.
Was mich halt besorgt ist, dass die Leser immer älter zu werden scheinen. Und die Bücher immer seichter - wie schon oben vom Haubentaucher erwähnt.
Jetzt am Samstag führen wir Georg Danzer und recht moderne österreichische Literatur auf - keine 30 Reservierungen!
Wenn Du nicht hip bist, tja...
Servus!
T.

Anonymous said...

Anonym bin ich nicht, habe nur zu schnell geklickt...

Martin G. Wanko said...

Stimmt schon,

in Graz gibt es die "Bücherstube", unterscheidet sich im Programm auch sehr deutlich. Man muss halt immer ein bisserl Angst haben, dass die "buten Häuseln" zusperren und nix mehr nachkommt. Da kommt es dann zwangsläufig zum Domino-Effekt. Wo sollten dann die vielseitigeren Verlage ihre Bücher hinstellen? Ins Internet, ja. Aber: Das Internet ist sicher kein Allheilmittel.

Wa.

Anonymous said...

Habe am Wochenende vom Kehlmann "Kaminski und ich" gelesen. Sehr verstörend, irgendwie hat er ja schon mächtig was drauf. Nur der Auftritt bei Beckmann am Montag, na ja...

Martin G. Wanko said...

... hatte nach 2 Kapitteln "Kaminski" genug - waren vermutlich nicht die richtigen ... aber den Auftritt bei Beckmann sah ich nicht - ich weiß nur, dass dem Verlag bereits vor der Veröffentlichung vom "Ruhm" die PR-Exemplare ausgegangen sind ...


be grü

wa.

Anonymous said...

Verlag ist da ein heißes Thema: Normalerweise bekommen Buchhändler vorab Leseexemplare. Definitiv Null bei diesem Buch! Schon echt großkotzig und arrogant, dieser Verlag. Und wenn dann solche Statements über ausgehende PR-Exemplare lanciert werden: Das ist blanke PR.

Zu "Kaminski": Der nimmt tatsächlich erst zur Hälfte Fahrt auf. Andere Büchlein hätte ich auch nach zwei drei Kapiteln abserviert, aber hier wollte ich es wissen. Jetzt reicht es auch.