Thursday, October 30, 2008

Die alte Garde schlägt zurück: Massimo Carlotto, James Sallis und Richard Stark.





Der Italo-Terror und die Literatur …

Einer der ganz Großen im italienischen Krimi ist Massimo Carlotto, was nicht nur mit seiner schriftstellerischen Qualität zusammenhängt, sondern auch mit seiner Biographie. Der ultralinke Autor wurde in den 1970er Jahren zu Unrecht wegen Mordes verurteilt, war jahrelang auf der Flucht und saß sechs Jahre im Gefängnis. Sein Fall wurde neu aufgerollt und endete mit einem Freispruch. Diese Jahre prägten ihn. Der Willkürakt gegen das Individuum und die daraus resultierende Ohnmacht sind seine zentralen Themen. Dieser existentialistische Gedankenansatz ist auch das Leitmotiv in seinem neuesten Roman „Die dunkle Unermesslichkeit des Todes“.
Also, den Herrn kauft man sich, weil er eine geile Bio hat, auf den Bildern einen ziemlich verwegenen Eindruck macht, vom Tropen Verlag immer mit klasse Cover versorgt wird, und immer absolut geile vierzig Seiten hinlegt. Danach plätschert es existenzialistisch dahin, aber trotzdem: In manchen norditalienischen Städten sollte man mit Carlotto Krimis net wirklich spazieren gehen, weil man dort von den Rechten ziemlich rasch eine auf die Schnauze bekommt.

… Philosophierende Agenten …

James Sallis wurde letztes Jahr für „Driver“ mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet. Kürzlich wurde daher sein etwas älterer Agenten-Thriller „Deine Augen hat der Tod“ nachgereicht. David ein Ex-Agent aus der Zeit des Kalten Krieges muss nach Jahren, in der er sich eine eigene Existenz aufgebaut hat, erneut in die Halbwelt abtauchen, um einen in Misskredit geratenen Kollegen aus seiner damaligen Spezialeinheit aufzustöbern. Ein klassischer Plot also, jedoch weiß James Sallis daraus eine sehr eindringliche Geschichte über alternde Helden, verlorenem Lebenssinn und der neuen Weltordnung zu machen.
Kluger Weise widerspricht der Autor den Prinzipen des Genres Agenten-Thriller, denn seine Protagonisten haben gegen Midlife-Crisis, Depressionen und Selbstekel zu kämpfen, viel mehr als gegen vermeintliche Feinde. Der Lack ist also ab, so stellt er James Bond und Konsorten ein realistisches Bild entgegen. Bei einem Trip ins amerikanische Hinterland wird viel nachgedacht, über das Agentenleben prinzipiell, die banale Existenz des Individuums und über die Widersprüche eine Welt zu schützen, in der man sich im Grunde fremd fühlt. Der Autor lässt also an den richtigen Stellen die Luft raus. Und so sitzen zwei kontrahierende Agenten einander gegenüber und verweigern den traditionellen Showdown. Keine Lust zum Schuss – wenn philosophiert wird, bleiben die Knarren oft im Halfter stecken.

… Parker is back!

Den absoluten Vogel in diesem Krimi-Herbst schießt aber Richard Stark ab. Der hat es auf die Lachmuskeln des Lesers abgesehen hat. Richard Stark, alias Donald E. Westlake gehört zum Fixensemble der US-Krimi-Welt. Sein Ganove Parker, immerhin schon seit 1962 im Geschäft, ist nach wie vor äußerst agil, wie Starks aktueller Roman „Fragen Sie den Papagei“ zeigt. Parker findet nach einem misslungenen Banküberfall in einem kleinen Nest in Massachusetts bei dem Eigenbrötler Lindahl Unterschlupf. Der schrullige Einzelgänger träumt schon lange von einem großen Coup: Er will den Tresorraum der benachbarten Rennbahn auszuräumen, da die Betreiber ihn vor einigen Jahren vor die Türe gesetzt haben. Nun hat er endlich seinen Mann gefunden, mit dem er das Ding durchziehen kann! Straßensperren und Fahndungen nach dem Bankräuber machen Parkers Flucht unmöglich und nolens volens beginnt sich der Profi für die Rennbahn zu interessieren.
Und so prallen zwei Welten aufeinander. Die einen begehen ein Verbrechen, weil sie von Emotionen getrieben werden, die anderen tun es, weil es nun mal ihr Job ist. Bald findet sich Parker in der witzigen Situation wieder, eher Schaden begrenzen zu müssen um seine eigene Haut zu retten, als an den Zaster zu kommen, der auf der Provinzrennbahn zu holen ist. Aber der Autor macht sich jetzt nicht über die Welt des Kleinbürgers lustig, er nimmt sie sogar sehr ernst. Und so entstehen wunderbare Synergien zwischen den verschiedenen Parteien. Der am Titel zitierte Papagei ist ein stummer Beobachter des Geschehens, einmal meldet er sich zu Wort, doch das war einmal zu viel.

5 comments:

Anonymous said...

Lieber Wa., in meinen Bücherschauen lese ich empfehlend aus dem Carlotto (als Schluss "Dann krepier im Gefängnis, Du Bastard!", kommt supergut) und beim Papagei die Szene, wo das schweigsame Tier mit einem Auge in den Flintenlauf linst. Dann hassen mich immer die Frauen. Du hast absolut Recht - an den Dreien kann man nicht vorbei. Nimm noch den Steinfest "Mariaschwarz" dazu.

Saluti!

Martin G. Wanko said...

... Steinfest muss erst noch geslesen werden, aber heuer mach ich auf diesem Blog noch ein Krimi-Special. Mal schauen was da alles noch so Platz hat ...

Anonymous said...

... dann nimm mal den zweiten Gunnar Barbarotti vom Nesser mit rein. Der ist echt gut.

Saluti T.

Haubentaucher said...

ich kann da sehr den krimi "amberville" von tim davys empfehlen. absolut spannend und crazy. sämtliche figuren sind nämlich stofftiere. aber mindestens so kaputt wie wir menschen...

Anonymous said...

Das klingt dermaßen genial, habe ich sofort geordert...
T.