Saturday, October 17, 2015

Das Boot des Präsidenten oder viel Krach.



Wahrscheinlich füllen die Biographien über John F. Kennedy schon Regale. „Der Kurs der Kennedys“ ist jedoch weder ein sensationsgieriges Elaborat, noch ein öder Schinken, sondern es überrascht durch seine Finesse. Es beschreibt anhand der Segelboote des Kennedy-Clans den Werdegang einer der einflussreichsten Politikerdynastien des 20. Jahrhunderts.
Wie tief das Segeln in der Familie verwurzelt ist, zeigt, dass John F. Kennedy sogar noch in seinem Hotelzimmer Dallas, vor dem tödlichen Attentat auf ihn, ein fahrendes Segelboot skizzierte, vermutlich die zierliche Victura, das erste Segelschiff der Kennedys, mit weißem Rumpf, welcher später blau lackiert wurde. Hinter der Idee, seine Kinder schon im frühen Alter mit dem Segeln vertraut zu machen, stand sein Vater, Joseph P. Kennedy, der den Kindern Disziplin, Gemeinschaftsgefühl aber auch den Willen zum Erfolg durch sportliche Betätigungen, vor allem durch das Segeln nahebrachte.

 Schiff ahoi, Herr Präsident

Der Autor, James W. Graham, besticht durch unheimliches Detailwissen, aber auch durch eine Art literarisches Schreiben, welches bei Sachbuchautoren oft auf der Strecke bleibt. Gelegentlich fühlt sich der nicht so dem Segeln vertraute Leser etwas überfordert, aber prinzipiell bleibt der Autor seinem Kurs treu: Er beleuchtet das Leben der Kennedys vom Boot aus, beschreibt die Verwandlung des Familiensports zum öffentlichkeitswirksamen Wahlkampfinstrument. Sogar in seiner kurzen Präsidentschaft verbrachte Kennedy seine Freizeit auf dem Boot und ließ in seine Reden das Meer und die Schifffahrt einfließen. Bis heute klammert sich die Familie an diesem Mythos. Ob jedoch die Segelboote der Kennedys ohne Galionsfiguren Kurs halten können, bleibt abzuwarten.

In die tiefen Wälder der Vereinigen Staaten geht es bei Benjamin Percy. In seinem Debüt schreibt er Kurzgeschichten über das Leben und Sterben im US-Bundesstaat Oregon. „Jemand wird dafür bezahlen müssen“, nennt sich der Band. Er kreist um den Irakkrieg und die Zeit danach, um eigenartige Jagden, die verzweifelten Liebe alter Menschen und die Perspektivenlosigkeit junger Amerikaner, die sie in den Krieg führt.

 


Berliner Namedropping
Blick zurück in die Zeit der Mauer-Bohème. Ein junger Mann namens Alexander Hacke befindet sich im Berlin der 1970er-Jahre. Er ist etwas frühreif und zieht sich schon im vorpubertären Alter Band wie die Ramones oder Nina Hagen hinein. Das mag vorkommen, dass der junge Mann jedoch in Berlin lebt, macht die Sache doch spannender, dass er sich sehr bald als ein Fast-Gründungsmitglied der intelligenten und theatertauglichen Lärm-Band „Einstürzende Neubauten“ entpuppt, macht die Autobiographie „Krach“ einzigartig. Künstler wie Martin Kippenberger oder Wim Wenders sind hier keine Ausnahme und dass der Autor mit dem wohl berühmtesten Junkie der damaligen Zeit, Christiane F., eine dreijährige Beziehung führte, gereicht der Biographie sicher nicht zum Nachteil.

Der Leser ertappt sich dabei, Künstler oder Bands wiederzuentdecken, die längst aus der medialen Wahrnehmung verschwunden sind, andere wiederum haben sich in die Gehirnwindung gebrannt. Schade ist, dass die kurzweiligen Kapitel zu wenig reflektieren, hier hätten essayartige Momente reingepasst. Manchmal gelingen Statements knapp und knackig: Heute unterliegen, laut Autor, introvertierte Menschen zu leicht dem Reiz sich in sozialen Netzwerken zu Tode liken zu lassen. Den Außenseiter gibt es quasi nicht mehr, jeder ist sein eigener König.

Wa.

James W. Graham: „Der Kurs der Kennedys“, 400 Seiten, mare Verlag

Alexander Hacke: „Krach“, 279 Seiten, Metrolit Verlag

 

 

 

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