Saturday, April 25, 2020

Corona and me – 1 Monat und Tag 7 der Quarantäne

Austria – 14.987 Corona-Infizierte / 11.872 Genesene 


Der Dobler & die Stones 

Ein bisserl ein Bildungsauftrag kann nie schaden – es wird gelesen! Beispielsweise Franz Dobler, ewig im Geschäft, seine Robert-Faller-Krimis genießen schon Kult-Status.

In den Jahren, als der deutsche Krimi eher eine Ausrede war, Ulf Miehe und Jörg Fauser waren tot, musste Franz Dobler den Karren über weite Strecken alleine ziehen. Er schuf sich dabei ein Biotop. Eine Art Rock’n’Roll- oder Beat-Krimi-Elaborat, abseits vom Pilzkopf, jetzt eher ein Beat mit lärmenden Gitarren, schwarzgefärbtem Haar, spitzem Schuhwerk und das verpackt als Literatur. Tatsächlich veröffentlichte er einige Rock’n’Roll-Compilations und nicht zufällig auch die Johnny-Cash-Biographie „The Beast in me“. Mit Robert Fallner entwarf Franz Dobler einen Polizisten, den er nun bereits mit „Ein Schuss ins Blaue“ das dritte Mal ins Rennen schickt.

Das andere München

Robert Fallner ist in die Jahre gekommen. Um die 60, die Knochen sind schon zu spüren und den Job als Inspektor hängte er auch an den Nagel. Zum Glück gibt’s den Bruder, der ihn in seinem Ermittlungsbüro engagiert. Ein Laden voller Ex-Polizisten, die hier in München ihr Dasein fristen. Diesmal scheint es pikant zu werden: Er soll einen islamistischen Terroristen aufspüren, auf den zwei Millionen Kopfgeld ausgesetzt sind. Dazu nahmen seine Frau und er ein vierzehnjähriges Mädchen auf, das aus desolaten Verhältnissen flüchtete und Fallners Frau, ebenfalls Polizistin, als ihr Vorbild herauspickte. Ein gutes Rahmenprogramm sozusagen, um den Anti-Ermittler Fallner, dem es immer eher um eine nebenherlaufende Ermittlung geht, schauen zu lassen, wie es um sein artifizielles München so steht.
Manche Dialoge müssen jetzt nicht sein und immer, um den heißen Brei herumzureden, bringt auch nichts. Natürlich ist Franz Dobler ein Säulenheiliger, dessen subversives München jetzt gar nicht viel anders ist, als jenes der eingangs zitierter Autoren. Gnade vor Recht: „Ein Schuss ins Blaue“ geht als Genre-Erweiterung durch, dem Ermittler Robert Fallner könnte man demnächst eine Auszeit gönnen.

Bei Keith in der Karibik 

Wie Franz Dobler wurde Linus Reichlin ebenfalls mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet, das war 2009. Jetzt legt er keinen Krimi vor, sondern mit „Keiths Probleme mit dem Jenseits“, einen Roman, in dem der Rolling-Stones-Gitarrist Keith Richards nach einem sehr kurzen Besuch im Jenseits wieder unter den Lebenden weilen sollte. Einer seiner Leibärzte muss nun um sein Wohl sorgen und dieser holt seinen Jugendfreund Fred Hundt zu sich in die Karibik, einen deutschen Wissenschaftler für die Wahrscheinlichkeitslehre. Natürlich stellen sich hier die Frage, ob Keith wirklich Keith ist und auch, wie der gute Mann abgeschirmt seinen Unterhalt verdienen kann, wenn er nicht als Auferstandener vor die Welt treten will. Um dem zu entgehen, schicken sie Fred auf eine Nachbarsinsel, zu Keiths Kumpel Johnny Depp. Es soll hier eine vage Abmachung aus dem vorigen Leben gegeben haben, den ominösen Totenkopfring des Gitarristen an den Filmschauspieler verkaufen zu können. Funktioniert nicht ganz, doch wie in einem Abenteuer geht es munter weiter.

Romane über Stars, die literarisch wiederbelebt werden, siehe John Lennon oder Elvis Presley, gibt es einige, meistens verpufft jedoch der Spaß nach einigen Seiten. Linus Reichlin hält hier bis zum Ende durch, auch weil er sich nicht alleine auf Keith Richards verlässt, sondern seinen Hauptprotagonisten ganz schön in die Mangel nimmt. Unterhaltend, aber mit Tiefgang.

(c) Vorarlberger Nachrichten - Martin G. Wanko

Franz Dobler: „Ein Schuss ins Blaue“ 282 Seiten, Tropen Verlag
Linus Reichlin: „Keiths Probleme mit dem Jenseits“, 253 Seiten, Galiani Berlin

Und immer wieder tapfer bleiben!

euer Wa!

25.04.20

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