NO! |
Zwei Autoren gehen auf Reisen. Der eine ist auf
Suche nach sich selbst, der andere ist auf der Flucht.
Berlin ist nach wie vor die Kreativhauptstadt
Deutschlands. Vielleicht nicht mehr so sehr wie nach der Wende, dennoch zahlt
es sich gerade für junge Autoren aus, ihren Fußabdruck in der Metropole zu
hinterlassen. Nach seinem Szene-Roman „Genau mein Beutelschema“ legt Sebastian
Lehmann mit „Kein Elch. Nirgends“ seinen zweiten Roman vor, der in der
bundesdeutschen Hauptstadt spielt.An der Oberfläche
Neeeiiin, Lehmann!
Der Protagonist Sebastian fühlt sich in seiner Haut nicht wohl. Die 30er-Krise geistert in seinem Kopf herum, ein neues Lebensziel soll gesucht werden, zumindest ein Motto. In kleinen Geschichten macht sich Sebastian deshalb auf die Suche nach einem lebenden Elch in freier Wildbahn. Dazu reist er um die halbe Welt und kehrt mehr oder minder ohne Ergebnis nach Berlin zurück. Das Buch will hier mit Alltagstexten punkten, die auch mal ins Absurde gehen, bloß funkt das halt nicht. Da merkt man auch zu stark, dass Lehmann von der Bühne kommt. Kann schon sein, dass das auf der Bühne hinhaut, aber im Printformat nicht. In Bezug auf deutsche Alltagsliteratur (Pop-Literatur) sollte man weiterhin auf die frühen Werke der Autoren Florian Illies oder Benjamin von Stuckrad-Barre zurückgreifen.
YES! |
Jaaaaaaaaaaaaaaaaaa! Nic Pizzolatto!!!
Auch er
schickt seinen Helden, den Auftragskiller Roy Cady, auf Reisen. Der Trip
beginnt in der Jazzhauptstadt New Orleans und endet in der texanischen
Kleinstadt Galveston. Der Autor lässt seinen Heden gleich zu Beginn des Romans an
Lungenkrebs erkranken. Dazu gerät Roy in eine selbstverschuldete Schießerei in
einem Bordell. Aus dieser Schräglage befreit ihn der Autor durch inhaltliches
Gespür und literarisches Talent. Zum einen rettet Roy eine minderjährige
Prostituierte und bringt sie aus der Stadt und diese befreit dann noch ihre
kleine Halbschwester aus den Klauen ihres Vaters. Zum anderen mutiert Roy auf
der Flucht vom brutalen Killer zu einem väterlichen Beschützer mit Ablaufdatum.
Das was hier vorliegt, ist große amerikanische
Erzählkunst. Beste Beschreibungen und ausgefallene Gegenden lassen den Leser
das Land neu erleben. Hier wird nicht viel herumgeredet, trockenes und
treffsicheres Artikulieren machen den Roman trotz schwierigem Inhalt zu einem
Lesevergnügen. Dass Pizzolatto ein fundierter Drehbuchautor ist, ist an der
Struktur des Romans abzulesen. Gut gesetzte Wendepunkte geben der Geschichte
viel Kraft und lassen den Antiheld zu einem tatsächlichen Liebling werden. Dass
die Geschichte jedoch nicht in den Kitsch abdriftet, hat mit dem Gespür des
Autors zu tun, eine lebensnahe Geschichte zu schreiben, aber nicht auf die
Tränendrüse zu drücken. Der haut einfach trocken drauf und ZACK!
Martin G.
Wanko
Sebastian Lehmann: „Kein Elch. Nirgends“, 207 Seiten, Aufbau Verlag