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James Sallis: Seinsesgleichen gibt's nur ein Mal. |
Beginnt man Sallis zu lesen, glaubt man, in einen fahrenden Zug aufzuspringen, in dem das Geschehen schon fortgeschritten ist, lange bevor man als Leser Gast sein darf. Es ist eine Fahrt durch das amerikanische Niemandsland, Gary, Gretna, Memphis oder Seattle, Städte über die man nur Spärliches weiß, die schon lange auf keiner Städtetour durch Amerika stehen, Orte wo der Greyhound-Bus Station macht, wo die Menschen hoffnungslos abfahren, und nicht mit viel mehr Hoffnung ankommen. Aber jeder der ankommt hat einen gottverdammten Grund, er hat etwas Unaufschiebbares zu erledigen, keiner kommt zum Spaß, und schon ist man in einem der stimmungsgeladenen Romane von James Sallis angelangt.
Agenten auf verlorenem Posten.
Das Motel an der Ecke, das Drive-in an der Kreuzung, der Drugstore oder das Provinzhospital, alles amerikanische Versatzstücke aus dem nicht so ganz geglückten American Dream, die Sallis zum Grundgerüst seiner Romane macht. Er pumpt diese Orte mit Leben voll, bleibt aber in der Lauerstellung. Agenten, Auftragskiller, Polzisten und Detektive tun hier ihren Job, kühn, kalkulierend, jedoch mit bilderreichem Hochgenuss ausgestattet. Hat sich der Autor durch die Figur des farbigen Privatdetektiven Lew Griffin den mühsamen Weg nach oben gebahnt, ist er nun mit seinen stoischen Agenten und Killern im Olymp der Kriminalliteratur angelangt. In deine „Augen hat der Tod“ spiegelt er die Welt der Agenten, denen nach dem kalten Krieg die Grundlagen für die „feine“ Art des Mordens abhanden gekommen sind. Lebenskrisen, Depressionen und finanzielle Miseren begleiten seinen alternden Helden David, der sich sodann zu einem letzen großen Duell aufmacht. Fred Zinnemanns „High Noon“ lässt grüßen, literarisch neu erfunden, postmodern unterkühlt, wenn man so will.
Der lonesome Cowboy und das Internet.
Diesen in sich fein ziselierten aber auch schwermütigen Geschichten bereitet er in seinem neuen Roman „Der Killer stirbt“ alle Ehren. Ein Auftragskiller bekommt einen Routineauftrag, ein schlichter Buchhalter soll um die Ecke gebracht werden. Doch wird er in seinen Vorbereitungen empfindlich gestört, jemand anderer ist ihm zuvorgekommen, hat den Buchhalter abgeknallt, gar nicht sehr sauber und trotzdem: alles deutet darauf hin, dass es ebenfalls ein Profi war. Und hier wieder dieses für Sallis so typische Duell zweier Kontrahenten, das jetzt aber weniger durch den Thrill, sondern durch die Coolness des Autors besticht, der seine Protagonisten in einer stählernen Atmosphäre zeigt. Dieses Mal reichert er den Plot mit Kindheitserinnerungen und Träumen an, hat aber auch keine Berührungsängste mit der Blogger-Welt des Internets. Lonesome Cowboy, oder so, ein Mann auf der Suche nach den elementaren Dingen. Aber keine Angst, James Sallis kommt ohne esoterischen Katzenjammer aus. Nach alltagsphilosophischen Ausbreitungen kommt er immer wieder auf den Punkt: „Den ersten Mord vergisst man nie“, meint er dann lakonisch.
Wa.
James Sallis: „Deine Augen hat der Tod“, Roman. Liebeskind Verlag. 192 Seiten.
James Sallis: „Der Killer stirbt“, Roman. Liebeskind Verlag. 250 Seiten.