Saturday, September 13, 2014

Jaaaaa und neieeeeeiiin!


NO!

Zwei Autoren gehen auf Reisen. Der eine ist auf Suche nach sich selbst, der andere ist auf der Flucht.
Berlin ist nach wie vor die Kreativhauptstadt Deutschlands. Vielleicht nicht mehr so sehr wie nach der Wende, dennoch zahlt es sich gerade für junge Autoren aus, ihren Fußabdruck in der Metropole zu hinterlassen. Nach seinem Szene-Roman „Genau mein Beutelschema“ legt Sebastian Lehmann mit „Kein Elch. Nirgends“ seinen zweiten Roman vor, der in der bundesdeutschen Hauptstadt spielt.

An der Oberfläche

Neeeiiin, Lehmann!

Der Protagonist Sebastian fühlt sich in seiner Haut nicht wohl. Die 30er-Krise geistert in seinem Kopf herum, ein neues Lebensziel soll gesucht werden, zumindest ein Motto. In kleinen Geschichten macht sich Sebastian deshalb auf die Suche nach einem lebenden Elch in freier Wildbahn. Dazu reist er um die halbe Welt und kehrt mehr oder minder ohne Ergebnis nach Berlin zurück. Das Buch will hier mit Alltagstexten punkten, die auch mal ins Absurde gehen, bloß funkt das halt nicht. Da merkt man auch zu stark, dass Lehmann von der Bühne kommt. Kann schon sein, dass das auf der Bühne hinhaut, aber im Printformat nicht. In Bezug auf deutsche Alltagsliteratur (Pop-Literatur) sollte man weiterhin auf die frühen Werke der Autoren Florian Illies oder Benjamin von Stuckrad-Barre zurückgreifen.


YES!

Jaaaaaaaaaaaaaaaaaa! Nic Pizzolatto!!!
Auch er schickt seinen Helden, den Auftragskiller Roy Cady, auf Reisen. Der Trip beginnt in der Jazzhauptstadt New Orleans und endet in der texanischen Kleinstadt Galveston. Der Autor lässt seinen Heden gleich zu Beginn des Romans an Lungenkrebs erkranken. Dazu gerät Roy in eine selbstverschuldete Schießerei in einem Bordell. Aus dieser Schräglage befreit ihn der Autor durch inhaltliches Gespür und literarisches Talent. Zum einen rettet Roy eine minderjährige Prostituierte und bringt sie aus der Stadt und diese befreit dann noch ihre kleine Halbschwester aus den Klauen ihres Vaters. Zum anderen mutiert Roy auf der Flucht vom brutalen Killer zu einem väterlichen Beschützer mit Ablaufdatum.

 Gefühle ohne Kitsch

Das was hier vorliegt, ist große amerikanische Erzählkunst. Beste Beschreibungen und ausgefallene Gegenden lassen den Leser das Land neu erleben. Hier wird nicht viel herumgeredet, trockenes und treffsicheres Artikulieren machen den Roman trotz schwierigem Inhalt zu einem Lesevergnügen. Dass Pizzolatto ein fundierter Drehbuchautor ist, ist an der Struktur des Romans abzulesen. Gut gesetzte Wendepunkte geben der Geschichte viel Kraft und lassen den Antiheld zu einem tatsächlichen Liebling werden. Dass die Geschichte jedoch nicht in den Kitsch abdriftet, hat mit dem Gespür des Autors zu tun, eine lebensnahe Geschichte zu schreiben, aber nicht auf die Tränendrüse zu drücken. Der haut einfach trocken drauf und ZACK!

Martin G. Wanko

Sebastian Lehmann: „Kein Elch. Nirgends“, 207 Seiten, Aufbau Verlag

 Nic Pizzolatto: Galveston, 253 Seiten, Metrolit Verlag



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