Wednesday, October 03, 2012

Er ist wieder da.


Es musste ja sein, einmal kommt er zurück, zumindest literarisch.

Mit dem Titel „Er ist wieder da“ kann auch im Anbetracht des Covers nur einer gemeint sein: Adolf Hitler. Nun, der deutsche Autor Timur Vermes lässt Hitler nach einem äußerst langen Schlaf – seit 1945 bis heute – wieder erwachen. Hitler schaut noch ganz gut erhalten aus und hat, sofern das möglich ist, noch nicht den Verstand verloren. Das macht ihn nach wie vor gefährlich.

 
Der Unsägliche kehrt zurück.

Der Autor lässt Hitler in Berlin in der Nähe des ehemaligen Führerpunkers erwachen und führt ihn zu einem Kiosk, wo er einmal mit dem Nötigsten versorgt wird. Hitler handelt sich weiter, von Station zu Station, bis er in einer Talkshow landet und macht dort die Quote. Plötzlich steht auch eine neuerliche Parteigründung im Hause. Natürlich geht man als Leser mit Vorbehalt an die Sache ran. Immerhin ist Deutschland ein Staat mit einer Verfassung und Gesetzen die besagen, was zu tun ist, taucht ein Kriegsverbrecher aus dem 3. Reich wieder auf. Mitunter gibt es auch die EU die einschreiten würde. So viel einmal zur Realität. Ansonsten lässt sich der Autor zu einem „interessanten“ Experiment hinreißen: So lange jeder Mensch glaubt, es handle sich um einen Hitler-Imitator, funktioniert das Spiel auf der Bühne wie im Leben, sofern die Hitler-Masche als Kunst gewertet wird. Soll man nun dieses Buch lesen? Ich glaube schon, da es ganz einfach offenlegt, wie schlimm es um unsere Gesellschaft steht, dass der wohl bestialischste Diktator des 20. Jahrhunderts auch nur eine Minute frei herumlaufen könnte und auch um zu sehen, wie schlüpfrig und nach Quoten heischend unsere Medien heutzutage arbeiten. Manchmal muss man auch lachen, nicht weil Hitler witzig ist, sondern weil der Autor Sinn für Humor besitzt. Tatsächlich ist „Er ist wieder da“ eine Absage auf die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 25 Jahre.
 
Werner Spies und die Kunst des 20. Jahrhunderts
Dagegen liest sich „Mein Glück“ von Werner Spies wie Labsal auf offene Wunden. Werner Spies lehrte in der Düsseldorfer Kunstakademie, war Direktor des Museums für Moderne Kunst in Paris und war über 30 Jahre Paris-Korrespondent und Autor der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er lernte auf sehr sympathische Art die Großen seiner Zeit kennen. Max Ernst, Samuel Becket, Pablo Picasso und viele mehr. Aus Werner Spies sprudeln Namen und Wissen wie aus einem niemals versiegenden Quell. Spies brucht keine Absätze, er reiht Sätze aneinander, und wird trotzdem nie einfältig: Sein subtiler Blick zurück in die 60er-Jahre, von Eugène Ionesco über Nathalie Sarraute bis zu Jeanne-Claude und Christo, seine Berichterstattungen darüber sind Meilensteine im Deutschen Feuilleton. Durch seine sehr eigene Betrachtung der Kunst gab er dem Künstler und auch dem Leser seit jeher viel zurück. Aber natürlich, viele Weggefährten Spies‘ haben bereits das Zeitliche gesegnet, doch auch hier hält der Autor Contenance:  Sein ungeschönter Blick in den Tod ist weder lustig noch traurig, sondern stimmig und wie Spies‘ ganzes Leben, nicht ohne Neugier.
 
Wa.
 
Timur Vermes: „Er ist wieder da“ 396 Seiten, Eichborn Verlag
 
Werner Spies: „Mein Glück“, 605 Seiten, Hanser Verlag.

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