Till Raether schickt mit „Hausbruch“ seinen Ermittler Danowski zur Reha, an die Ostsee. Carsten Sebastian Henn macht einen weiteren hochprozentigen Krimi.
Carsten Sebastian Henn hat schon seit längerem den Alkohol für sich entdeckt. Jetzt nicht im herkömmlichen Sinne, sondern literarisch. Buchreihen über Buchreihen, die um Julius Eichendorff ist die bekannteste. Seine Ermittler sind hauptberuflich Köche, Professoren und eben Hobby-Detektive. Dazu gehört dem Autor auch ein Weingut an der Mosel, er weiß also worüber er schreibt, technisch gibt es auch nichts auszusetzen. Wirklich trendy wurde er, als er mit „Gib dem Leben einen Gin”, auf den Gin-Hype aufsprang und eine Story rund um eine verschollene Gin-Rezeptur niederschrieb. Mit „Rum oder Ehre“ geht es nun, nicht schwer zu erraten, um Rum und Crime.
Rum soweit das Auge reicht
Ausgangspunkt ist Flensburg in Deutschland, eine der historischen Rum-Hochburgen in Europa. Im Zentrum steht der nicht mehr so ganz fitte Martin, genannt Käpt‘n, dessen Bruder Christian, ein talentierter Rum-Blender, in seinen jungen Jahren nach Jamaika ging und seitdem als verschollen gilt. Plötzlich tauchen bei Martin Briefe seines Bruders auf, die von einem turbulenten Leben auf der Karibikinsel erzählen. Grund genug um Christian, den sie auf Jamaika alle ehrenvoll „den Professor” nennen, einen Besuch abzustatten, um zumindest seinen Spuren zu folgen - wer weiß, ob der Bruder noch lebt. Angekommen auf der Insel, wird der Käpt‘n sofort mit einer Taxifahrerin bekannt, die sich für den Aufenthalt als Chauffeurin anbietet. Das alles geschieht nicht ohne Hintergedanken, denn Martin könnte ihr Onkel sein, da ihre Mutter mit dem verschollenen Christian eine Liaison hatte. Kurz nach der Ankunft gibt es bereits den ersten Toten.
Der Leser kommt im ersten Drittel des Romans einigermaßen ins Schnaufen, weil eben der Inhalt eingearbeitet werden muss. Vielleicht etwas viel am Tablett, aber dafür sind die Storys gut gebaut und machen jetzt auf witzige Art Lust tatsächlich einmal einen Abstecher an die Karibik, abseits der weißen Strände, zu machen. Reggae, Ska und der Mythos Rum, das mag man, oder mag man nicht. Interessant ist, dass Alkohol, verbunden mit dem Profil der Regionen, immer mehr als „bürgerliches Kulturgut“ wahrgenommen wird, das sich für Krimis sehr gut eignet. Vorbei sind die Zeiten eines Charles Bukowskis und seiner wüsten Welt, lieber spaziert man die anmutigen Wege Martin Walkers oder Alfred Komareks nach. Carsten Sebastian Henn ist bisweilen vielleicht eine Spur zu nett und praktikabel, sein Protagonist könnte ruppiger sein. Unterm Strich hat der Roman jedoch seine Momente, der Leser profitiert durch sein ausgezeichnetes Fachwissen und an manchen Bars könnten seine nicht alltäglichen Drinks und Kuchen durchaus für Abwechslung sorgen.
Der Polizist in der Sinnkrise
Adam Danowski ist so ziemlich das Gegenteil von Carsten Sebastian Henns Käpt’n. Danowski ist Polizist aus Leidenschaft, besser gesagt war er das. Till Raether schickt ihn bereits das sechste Mal ins Rennen, aber es läuft nicht mehr so wirklich rund. Im fünften Fall ging so ziemlich alles schief. Hier war er 24 Stunden in der Gewalt eines entflohenen Straftäters. Der Fall ging nicht ohne Pannen ab und so befindet sich der geschundene Danowskinun auf Reha an der Ostsee. Ganz nebenbei entwickelt der Autor ein Pärchen, welches sich ebenso auf Erholung befindet. Langsam und nüchtern strukturiert, in bester nordischer Qualität, lässt er hier eine ziemlich kaputte Beziehung entstehen, wo am Ende des Tages nur die Frau überbleibt und diese geht nun zu Danowski beichten. Die Kritik meint, Danowski nähme im sechsten Fall relativ spät Fahrt auf. Aber, warum auch nicht? Ein Ermittler darf auch einmal lethargisch sein und der Autor kann diese Zeit literarisch zu Nutze machen. Till Raether schafft das sehr gut. Wer mehr Action haben will, sollte den Vorgänger „Unter Wasser“ lesen.
Martin G. Wanko / © Vorarlberger Nachrichten
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