Thursday, December 26, 2019

Vor 100 Jahren wurde in Österreich noch groß und wahnsinnig gedacht.




Der Tiroler Autor Bernd Schuchter schaut in das Wien der 1920er-Jahre.

Österreich zwischen dem 1. und dem 2. Weltkrieg war ein Biotop aus tatsächlicher Geschichte und Anekdoten. Diese an einem roten Faden aufzuhängen ist oft schwierig oder bereits abgelutscht. Der Autor und Verleger Bernd Schuchter hat mit „Rikolas letzter Auftritt“ einen sehr eigenen, aber auch sehr treffenden Weg gefunden, die Zeit nochmals einzufangen.
 Richard Kola wollte mit seinem Rikola Verlag die verlegerische Nachkriegsarmut in den Wind schießen und wirklich Großes erlangen, den einzigen österreichischen Verlag aufzubauen, der über die Grenzen strahlt. Das waren jetzt keine Hirngespinste, denn immerhin schaffte es der Verleger, mit einem gewissen Thomas Mann einen Vertrag abzuschließen, ihn von Fischer loszueisen und den ersten Teil der „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ bei Rikola zu veröffentlichen. Aber wie es im Größenwahn so ist, wollte der Verleger das 2. Buch eines noch relativ erfolglosen Adolf Hitler verlegen, welches schlussendlich erst 1961 veröffentlicht wurde.

Knisternde Zwischenkriegszeit

Der Autor Bernd Schuchter macht es spannend. Er mischt Realität und Fiktion zu einem feinen Konglomerat. Hier kommt dem Autor seine Arbeit als Verleger zugute. Natürlich macht es Spaß, über Menschen wie Stefan Zweig, Elias Canetti, Thomas Mann oder dem Bundeskanzler Ignaz Seipel in einem anderen Kontext als gewohnt zu lesen. Ignaz Seipel hätte übrigens einer Veröffentlichung von Hitlers zweitem Werk in Österreich nicht zugestimmt. Erfahren hat das der Verleger in der groß angelegten Literatur-Redoute, die er persönlich veranstaltete, über die ganz Wien ratschte und sogar in Paris und London ihr Echo fand. Absurd wie vieles zu dieser Zeit, scheiterte der Verlag und das ganze Firmenimperium während der großen Redoute scheiterte, da parallel dazu die France-Spekulationen des Verlegers seinen Ruin bedeuteten. In der Zwischenkriegszeit war jedoch noch so manch Untergang schillernd, an das dicke Ende wollte noch keiner so recht glauben. Gut dosiert, ohne Übertreibung und ohne unnötige Komik, schreibt der Autor den Roman fertig. Ohne darauf dezidiert hinzuweißen ist zu erkennen, dass Kolas Größenwahn gerade heutzutage stattfinden könnte, ein durchaus realistisches Szenario.

Düsteres Glasgow

Mit „Der Tod im Februar“ bringt Alan Parks seinen zweiten Kriminalroman heraus. Ein Spieler der Fußballmannschaft Celtic Glasgow wird brachial hingerichtet auf dem Dachgeschoss eines Rohbaus aufgefunden. Den Täter aufzuspüren ist Detective Harry McCoys Aufgabe. Als Hauptverdächtiger entpuppt sich ein Mitkonkurrent um die Freundin des Ermordeten. Ein Stalker, der zugleich zu einem Serienmörder mutiert. Und schon befindet sich der Leser im winterlich unfreundlichen Glasgow der frühen 1970er-Jahre, eine Goldgrube für Krimiautoren. Ein temporeicher Krimi, in dem der Täter den Ermittlern immer einen Schritt voraus ist. Alan Parks spart hier nicht mit Details und schafft so einen schottischen Krimi in der Preisklasse eines Ian Rankin. Für Novemberabende genau das Richtige.

Vorarlberger Nachrichten / Martin G. Wanko

Bernd Schuchter: „Rikolas letzter Auftritt“, 154 Seiten, braumüller Verlag
Alan Parks: „Tod im Februar“, 428 Seiten, Heyne Hardcore

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