La Roma!
Leichtlebig, locker, luftig, keine andere Stadt
wurde von Federico Fellini so lebendig, verspielt und zugleich sorglos
verfilmt, wie das Rom der Nachkriegsjahre. Sandro Veronesi spann den Faden
weiter, heraus kommt der Roman „Die Berührten“, eine Zeitreise in die 1980er-Jahre.
Veronesi beschreibt eine junge, dekadente Gesellschaft, die sich unbekümmert
durch die Stadt treiben lässt.
Ohne
Hysterie
Der junge Graphologe Mète ist Teil dieser
Generation, doch der Schein trügt. Der Hang zu seiner Halbschwester stellt nicht
nur sein beschauliches Leben, sondern auch die Geduld des Lesers auf die Probe:
Eine mangelnde Charakterentwicklung der Hauptfigur führt hier zu einer inhaltlichen
Sackgasse. Als Kontrapunkt lädt der Autor jedoch in eine pulsierende Stadt ein,
die das hysterische Geschrei anderer Großstädte nicht mitmachen muss. Veronesi
weiß unheimlich viel von den Plätzen, der Bauart der Häuser und lässt hier ein
erstaunliches Lebensgefühl entfalten. Es scheint der literarische Soundtrack zu
Falcos LP „Junge Römer“ zu sein, ein ewig unterschätztes Werk. Jedoch hatte
Falco einen Vorteil: Er bediente sich dem Zeitgeist und zelebrierte eine
aalglatte Welt, ohne Probleme. Sandro Veronesi Roman hätte das auch gut getan.
Holyday in Nordkorea!
Christian Eisert ist einer der jüngeren deutschen Autoren,
die keine Angst haben, brennend heiße Themen anzupacken. Anzupacken im wahrsten
Sinne des Wortes, denn Eisert schreibt nicht nur über Nordkorea, sondern er
fährt auch dorthin, um Urlaub zu machen. Das romanartige Sachbuch „Kim &
Struppi“ beginnt mit einem Rückblick: Eisert wächst in Ostberlin auf und im
Zuge eines Schulbesuchs einer nordkoreanischen Delegation erfährt Eisert über
die Existenz einer regenbogenfarbenen Kinderrutsche in einem Vergnügungspark
von Pjöngjang. 25 Jahre danach begibt sich Eisert mit seiner Kollegin, der
Fotoreporterin Thanh Hoang, auf die Suche nach der regenbogenfarbigen
Kinderrutsche.
Unter falschen Angaben ergattern sie sich ein
Visum nach Nordkorea und gehen mit zwei dafür abgestellten Reiseführern auf
Besichtigungstour. Die Betreuer versuchen den beiden Urlaubern ein fast
perfektes Land vorzuspielen. Natürlich misslingt die Mission, doch Eisert macht
sich nicht darüber lustig, sondern er beschreibt ein Land, das zwar am Abgrund
steht, in sich aber doch funktioniert. Hinzu kommt in Nordkorea eine kindliche
Naivität, sich an gewöhnlichen Dingen zu erfreuen: Ein schöner Sonnenaufgang,
die Mandelblühte und auch Fruchtgummis, die man nicht kennt, sind viel wert. Trotzdem
verändern sich die beiden Reisenden. Eisert wird zurückhaltend und paranoid,
seine kongeniale Begleiterin Thanh Hoang, wird aggressiv und zugleich
verärgert, da Nordkorea naturgemäß einengend ist.
Eisert kommt aus der DDR, er weiß wie Systeme funktionieren,
so taucht er in Nordkorea in die Welt seiner Kindheit und Jugend ein. Aber er
behält die Übersicht, trockene Kommentare zeugen davon. Fazit: Wie kann man ein
250 Seiten starkes Buch über ein Land schreiben, in dem „nichts“ passiert?
Indem man genau hinsieht! Eisert kann das sehr gut. 100.000 Kim Il-sung
Porträts konnten ihm die Sicht nicht verstellen.
Wa.
Sandro Veronesi: „Die Berührten“ Klett-Cotta, 384 Seiten.
No comments:
Post a Comment