Monday, August 20, 2012

„Frequency“: Fein, aber nicht mehr ganz jung.

Der Bursch zeigt die Zunge, sehr frech halt. Mädel neben ihm: Unbeeindruckt.

Klar, es gab auch jüngere Bands wie Kraftklub, The XX, oder Frittenbude aber trotzdem, eher ältere Semester wie The Cure, Tocotronic und Bob Mould dominierten die vier Tage Frequency vergangener Woche.
„Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein“, der epochale Tocotronic-Hit, der sich auf ihrer ersten CD „Digital ist besser“ aus dem Jahr 1995 befindet, war schon immer eher mit Augenzwinkern zu verstehen, aber trotzdem: Die Herrn von Tocotronic hatten auf Frequency 2012 schon weißes Haar angesetzt, grau meliert, wie es höflich heißt, und das Publikum auch: Ältere Buben mit seltsamen Pagenköpfen und ältere Mädchen mit nach wie vor ungesunder Gesichtsfarbe stiegen so von einem Bein auf das andere oder wippten mit - so war das halt noch im letzten Jahrtausend üblich. Und die Musik, abseits der Hitparadenverblödung, verbreitete damals sehr oft eine Art unterschwellige Skepsis, schön, diese Nostalgie noch einmal live erleben zu dürfen. Dazu passten auch Noel Gallagher’s High Flying Birds, die leider nur mit Noels alten Oasis-Hits punkten konnten, sowie die Düsterromantiker Placebo, die, als Hauptact am Donnerstag, bereits nach einer Nummer abbrechen mussten. Der Lead-Sänger fühlte sich nicht wohl, oder ähnliches.

Keine Sorge, kein Flashback, oder so: Die Star-Wars Mannen waren leibhaftig. Tochter gesellte sich zu ihnen.

Aber dennoch und zum Glück handelt Frequency mit gemischter Kost. Jan Delay & Disko Nr.1 gaben heuer das, was Seeed letztes Jahr taten, sie machten große Stimmung mit Soul aus allen Jahrzehnten, da lachte das Publikum von einem Ohr zum anderen. Und klar, Frittenbude, die Krawallpoeten, die trotz scheinbar fortgeschrittenem Alkoholkonsums punktgenaue Sätze inklusive Genetiv zusammenbrachten, St. Etienne, für mich die ultimativen Blondie-Nachfolger und interessanter Weise weniger The XX, die bei ihrer Österreich-Premiere ihren Keyboard-Pop nicht ganz ausbreiten konnten. Dafür überraschten auf einer Nebenbühne die japanischen Techno-Performer Siro-A, die sehr schön das Zusammenlaufen von Visuals, Samples und Live-Performances verstanden. Gut so! Wer braucht dann noch die altehrwürdigen Begründer des „schönen Leidens“, The Cure, Helden des 80er-Jahre-Gothic-Rocks? Die Jugend nicht, sie verdünnisierte sich tröpfchenweise – auf, auf zur flotten DJ-Line in den Nightpark!


Text: Martin G. Wanko (Vorarlberger Nachrichten, 20. Aug. 2012) Alle Fotos: (c) M.G. Wanko



Die Everglades aus Niederösterreich in St. Pölten an der Traisenau. Ohne Krokos, dafür mit joggendem Wa. - Gruselig genug ;-)

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