Monday, October 03, 2011

Joachim Lottmann Doppelback.


Lottmann, auf der Suche nach nem Therapeuten der noch auf Freud macht. (Foto: Wa.)

Lottmann hat es nicht leicht in seinem Leben. Er war schon einige Male knapp dran, sich in die erste Riege der Deutschen Autoren und Journalisten zu schreiben, aber scheinbar stolpert er immer über seine eigenen und andere Beine. Große Erfolge endeten meistens im vollkommenen Absturz. In seinen neuen Roman „Unter Ärzten“ macht er sein Leben quasi zum Fundament einer turbulenten Jagd nach seinem malträtierten Ich. Pro Seite verbraucht Lottmann ungefähr 2 Psychiater, Ärzte oder Scharlatane. Das Leben geht aber trotzdem mit Vollgas weiter und hat noch so manch private und berufliche Rechnung offen. Joachim Lottmann geht auf dem Zahnfleisch spazieren und kredenzt seine Probleme auf einem fein polierten Tablett eines Wiener Kaffeehauses. Und eh klar, klasse formuliert.

Die neuen Lottmann Bücher "100 Tage Alkohol" und "Unter Ärzten"


Bleiben wir gleich beim Wiener Kaffeehaus. Lottmann scheint ein Maniker zu sein, zumindest was seinen literarischen Output betrifft. Fast nebenbei schrieb er die unterhaltsame Erregung „100 Tage Alkohol“. Nein, keine Sorge, dieser Text, der Autor will partout nicht, dass man hier von einem Roman spricht, bringt uns nicht die Leberwerte des Autors nahe, es ist eher eine Beschäftigung mit sich selbst und seiner Wahlheimat Wien.

Von der Bohème bis in die Hofburg.

Auf der Flucht vor einer inszenierten Sex-Kampagne flüchtet der leicht nervöse Autor von Deutschland über die Schweiz nach Österreich und erfährt bei uns die Wiener Bohème, wie sie leibt und lebt. Das Café Anzengruber wird zu einem Fixpunkt, die darin residierenden Künstler gute Anspielpunkte und der hochrangige blaublütige Beamte Freimuth von Bölling so etwas wie ein väterlicher Freund. Natürlich überzeichnet der Text etwas, fast schon wie in Thomas Bernhards besten Tagen: Den Bundespräsidenten über den Kanzler zu stellen scheint übertrieben und auch einen Kulturfunktionär als absolutistischen Entscheidungsträger über das Schicksal der österreichischen Literatur zu stellen, ist eher fragwürdig. Trotzdem, Lottmann rollt sich wie eine schrullige Mozartkugel durch Wien, erspürt den Nachhall der Geschichte und bleibt rein sprachlich gesehen immer flott unterwegs, alles hübsch in einem Guss sozusagen. Sogar bei der Besichtigung der geheimen Gemächer in der Hofburg aus der Maria-Theresianischen Epoche macht er eine gute Figur. Da capo!

Wa.

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