Tuesday, March 01, 2011

Das Leben auf dünnem Eis.


Die Autoren Landerl und Kieybye: Das Leben findet in Bruchstücken statt.

Der Plot ist nicht immer das Wichtigste, sofern sich der Autor nicht anschickt einen Bestseller zu schreiben. Es geht eher um das Ausdrücken von Gefühlen, also wie man Unsagbares ausdrücken soll. Manchmal schlendern diese Gedanken einige hundert Seiten dahin, selbstzufrieden, im Bewusstsein gut und interessant formuliert zu sein, aber doch nicht ganz gestillt. Der Hunger auf eine gewisse Erkenntnis scheint sie voranzutreiben. Sowie beim österreichischen Autor Peter Landerl gelesen. „Stromabwärts“ heißt sein kurzweiliger Erzählband, der sich mit dem Leben von Menschen auseinandersetzt, denen es durch die Finger zu rinnen droht.

Tiefgang mit Überraschungseffekt.

Im Sand versiegen, nicht mehr da sein, nichts mehr fertigdenken – und dann doch halt wieder die Gewissheit, dass es weitergehen muss, legt man nicht selber Hand an sich an. Ein Wellenbad der Gefühle also, in dem der Autor die Zerbrechlichkeit des Moments ganz oben hält. Peter Landerl erzählt im hohen Maße einzigartig und sorgt in „Stromabwärts“ auch für Überraschungen: Ein überraschender Haken und es zieht seine Geschöpfe ins Leben zurück. Ein gutes Stück österreichische Literatur auf alle Fälle, Landerl könnte sich demnächst wieder an die Langform heranwagen.

Im Schwarzweißbild der Moore.

Mann, was wurde über die Sümpfe und das Moor schon geschrieben?! Allein die englischen Krimischreiber ließen seit Sir Arthur Connan Doyle wohl kein noch so schauriges Stück Moor aus, um nicht doch noch wo eine Gruselgeschichte aus dem Nebel steigen zu lassen. Von den irischen Meistern des Fachs und den Nordlichtern will ich schon gar nicht mehr reden. Alles schien trockengelegt und im Grunde hätte man keine Geschichte mehr vermisst, schon gar nicht mit schaurigem Hintergrund, bis Stefan Kiesbye kam. Kiesbye stellt etwas Sonderbares an. Er beschreibt Hemmersmoor, ein kleines Nest in den unzugänglichen Sümpfen nahe der Nordsee gelegen, abgeschnitten von allem Größeren, Hamburg und Bremen glitzern hier wie ferne Sterne.

Moor im düsterer Schwarzweiß-Ästhetik

In diesem Nest lässt er es spuken, aber in echt. Er berichtet über reales Grauen, über im Moor zurückgelassene Kinder, verwirrte Erwachsene, obskure Schlossherren. Das Beängstigende und auch Faszinierende an den Geschichten liegt in ihrer Machart. Der ganze Wahnsinn der in diesem Dorf passiert, wird ohne Moralkeule verabreicht. Ein Leben zwischen Bedürfnissen und Irrläufen. In einer erfrischenden Trockenheit, als ob er der Berichterstatter der schicksalhaften Stunden wäre, in denen so Vieles passiert, schreibt der deutsche Autor die Geschichten rückblickend nieder. Schwarzweiß flackern die Lichter, in denen es im kleinen Ort Hemmersmoor noch keine Fernseher gab, aber so vieles passierte – was nicht passieren hätte dürfen.

Wa.

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