Friday, February 19, 2010

Zug & Bücher




Die gute alte Bahnhofsbuchhandlung ist die letzte Bastion des schlechten Geschmacks, habe ich mir einmal von einem Buchhändler sagen lassen. Noch besser sind aber die Kataloge, die jetzt in den Buchhandlungen herumliegen und einen kleinen Ausblick auf den Bücher-Frühling bieten.

Fix im Sortiment sind Trash-Thriller. „Stört den Mörder nicht“, oder „Andalusisches Requiem“ erweisen schon im Titel echte „Zug-Qualitäten“: Auf der Strecke Graz-Wien auslesen und dann liegen lassen. Am liebsten sind mir da die US-Autorinnen, die mit ihren Strahler-80-Lächeln und den Drei-Wetter-Taft-Frisuren von den Buchrücken lächeln. Sie haben meistens Psychologie oder Literaturwissenschaften studiert und residieren nun am Rande der Großstadt, in modernen Landhäusern mit einem Mann, der je nach Bildung Klempner oder Veterinär ist, drei Kindern, und einem Hund. So nebenbei züchten sie eine seltene Tomatensorte und schauen den Bohnen zu, wie sie sich an den Stangen hochziehen.

Totsicher ist bei den Ladys der Gruselromane eines: Sie werfen jährlich einen 600-Seiten-Schmöker, mit einer fünfstelligen Erstauflage, auf den Markt. Und trotzdem bleiben die Thriller-Schreiberinnen (und Schreiber) so gesichtslos wie Cheerleader im American Football. Wissen Sie zum Beispiel wer Vanessa Marlow ist? Klar kennt jeder den Marlowe, den alten Detektiv aus den Chandler-Krimis, aber Vanessa Marlow, nach der kräht keiner. Also, Vanessa schreibt Bücher mit knallharten Titeln wie „Vom Teufel verführt“. Die Romane sollen laut Text „für alle Leserinnen von Joy Fielding und Sandra Brown“ geeignet sein. Klar doch, jetzt bin ich im Bilde, hab ja alle Romane von Joy und Sandra in meinem Regal stehen! Also, im wirklichen Leben heißt Vanessa Cheryl Holt, hat bis jetzt 22 Erotik Romane veröffentlicht und ist dem Autorenfoto nach keine Dreiwetter-Taft-Lady, sondern schaut wie eine unterbezahlte, griechische Volksschullehrerin im Wechsel aus. Dürfte also doch ansträngend gewesen sein, die 22 Erotik Romane in die Tasten zu hämmern.

Viele Bäume werden auch für sogenannte Sachbücher geopfert. Oliver Kahn, ex Bayern München Torhüter, meint: „Ich. Erfolg kommt von innen.“ Ja eh, trotzdem braucht es einen Patzen Talent, Glück und doppelt so viel Training, damit was geht. Ob Cheryl Holt auch so viel für ihre Erotik-Thriller trainieren hat müssen wie Oli? Na ja, lassen wir lieber diese Spekulationen. Spekulieren tut Michael Braun: Er meint, „So geht Geld“, o.k., ist notiert, als Exit-Strategie kommt der einmal aufs Nachtkästchen.

Aber es geht auch anders. Handkes „Wunschloses Unglück“ hat sein Gegenüber bekommen: „Glücklich, ohne Grund“, nennt sich die Schwarte. Immerhin die Nummer 1 in den Staaten, 13 Millionen verkaufte Exemplare. Ja wenn das nix ist? Aber auch die echte Liebe lässt im Frühling nichts zu wünschen übrig: „Ich, mein Karma und er“, gegen dieses Beziehungsgeflecht dürfte wahrscheinlich kein Kraut gewachsen sein. Eine Etage tiefer geht’s aber auch voll ab: „Nimm ihn! Einen Richtigen findest du nicht.“ Das sind harte Bilanzen und durchaus ein Einstiegsmodel für Existentialisten. Sartre und Camus werden zur Vertiefung folgen.


Wa.

4 comments:

tobi said...

Klingt fast wie diese Bücher-Drehständer in den kleinen Geschäften der Rosenberger-Autobahnrastätten.

Martin G. Wanko said...

Stimmt! Richtig beobachtet, das hat eine große Parallele. Szellt sich die Frage: Wo ist es schmuddeliger?

wa.

thfkoch said...

Schmuddel macht halt Umsatz: Buchhändler, die das seltsame Buch "Feuchtgebiete" auf ihre Angebotstische legten, berichteten, dass sich vorher schleppend verkaufte Literatur daneben echt anließ. Man blätterte halt bissle in was Feuchtem, schämte sich dann und kaufte als Ablass irgendeinen Ziegel. Wir Menschen sind schon komisch, oder?

Martin G. Wanko said...

Ha, ha, ha! Das muss man aufs Backcover schreiben!


Wa.